AULOS Hörtraining
Mit dem AULOS-Training widmen wir uns der Kurzzeitplastizität der subjektiven Hörwahrnehmung und neuronalen Informationsverarbeitung. Wir konnten zeigen, dass dieses Training die Reifeentwicklung des auditorischen Systems bei Heranwachsenden fördert.
Mit unserem langjährig entwickelten AULOS-Hörtraining („Active IndividUalized Listening OptimizationS“) forschen wir in einem eigens dafür eingerichteten Hörraum (Abb. 1) gezielt zur auditiven und neuronalen Kurzzeitplastizität des aktiven Hörens.
Mit speziell bearbeiteter Musik und Naturklängen aus Kopfhörern, Lautsprechern und Knochenleitern (Körperschall) fördert das Hörtraining durch verschiedene Filtertechniken entspanntes und aktives Zuhören sowie die selektive Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Außerdem wird das fokussierte Hören im sozialen Umfeld sowie das Ausblenden irrelevanter Informationen trainiert.
Unsere bisherigen Forschungsergebnisse und Erfahrungen zeigen, dass das Training Hördefizite (Tinnitus, Geräuschempfindlichkeit, Hörverminderung) verringert und Entwicklungs- und Lernstörungen entgegenwirkt. Das AULOS-Training basiert auf dem ursprünglichen Konzept der Audio-Psycho-Phonologie nach Alfred Tomatis und wird seit 2019 durch unsere eigene neuropsychologische Forschung weiterentwickelt und wissenschaftlich evaluiert.
In unserer Studie „Short-term plasticity of neuro-auditory processing induced by musical active listening training“ (Schneider, Seither-Preisler et al., 2022) führten wir mit einer Stichprobe von 37 Jugendlichen (20 Musiker:innen, 17 Nicht-Musiker:innen) ein 20-stündiges AULOS-Hörtraining durch. Mit Hilfe der Magnetoenzephalographie (MEG) und psychoakustischen Tests wurde die Kurzzeitplastizität von im Gehirn auditorisch evozierten Feldern sowie die Hörfähigkeit in einem Prä-Post-Design untersucht. Es fanden sich beidhemisphärisch neuroplastische Veränderungen, welche im rechten auditorischen Kortex stärker ausgeprägt waren. Konkret zeigten sich signifikante Synchronisationseffekte der rechts- und linksseitig auditorisch evozierten Antworten sowie dreifach vergrößerte Amplituden der späten P2-Antwort, welche höhere integrative Prozesse der Hörverarbeitung kennzeichnet. Die auf Ebene des Gehirns erzielten Effekte entsprachen etwa jenen eines mehrjährigen musikalischen Langzeittrainings (Schneider & Seither-Preisler et al., 2023).
Abb. 2:
(A) Dreidimensionale Rekonstruktionen des rechten und linken auditorischen Kortex eines Jugendlichen.
(B) Zwei-Dipol-Modell zur Extraktion der individuellen Quellwellenformen (Aktivierung über die Zeit) in den Regionen des linken (blau) und rechten (rot) auditorischen Kortex.
(C) Gemittelte Quellwellenformen von Musiker:innen (oben), Nicht-Musiker:innen (Mitte) und allen Proband:innen (unten) vor (prä) und nach (post) dem zweiwöchigen Hörtraining.
(D) Differenzkurven für die Messungen vor und nach dem Training.
(E) Anstieg der P2-Amplitude nach dem Training. *p < 0,05; ** p < 0,01; ***p < 0,001.
Zudem verbesserten sich die auditiven Diskriminationsleistungen und Hörschwellen durch das AULOS-Training in hohem Maße (Abb. 3).
Abb. 3: Kurzzeitplastizität auditiver Fähigkeiten.
(A)-(F): Die Unterscheidung von Frequenzen, Lautstärken, Ton-Ansätzen (weich vs. hart) und Rhythmen verbesserte sich signifikant (*p < 0,05; ** p < 0,01; ***p < 0,001; Musiker:innen: gefüllte Kreise, Nicht-Musiker:innen: offene Kreise).
(G) Gemittelte Hörschwellen für alle Proband:innen. Bemerkenswerterweise verbesserten sich nach dem Training die mittleren Schwellenwerte für die Knochenleitung um um 10-15 dB (10 dB entsprechen einer Verdoppelung der subjektiven Lautheit) und für die Luftleitung um 3-4 dB.
(H) Absolute Differenz zwischen Vorher- und Nachher-Messungen für Knochenleitung (rot) und Luftleitung (blau).
(I) Absoluter Unterschied zwischen Luft- und Knochenleitung für die Vorher- (durchgezogene Linie) und Nachher-Messung (gestrichelte Linie).
Die Ergebnisse deuten auf einen starken positiven Einfluss des aktiven Hörtrainings auf die neuronale Informationsverarbeitung und subjektive Hörwahrnehmung im Jugendalter hin, wenn sich das auditorische System noch in der Entwicklung befindet (Schneider & Seither-Preisler et al., 2023). Das AULOS-Training wird von uns kontinuierlich an verschiedenen Zielgruppen getestet und optimiert. Aktuell erforscht unsere Doktorandin Bettina Zeidler die Wirkung auf kommunikations-, sprach- und hörbezogene Fähigkeiten sowie auf soziale Interaktion von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung. In Zukunft wollen wir die Wirkungen bei Kindern und Jugendlichen mit den neuroentwicklungsbedingten Störungen ADHS, ADS und LRS systematisch erforschen. Außerdem sind Trainings mit erfahrenen Musiker:innen geplant, um zu untersuchen, ob sich damit auch musikalische Kompetenzen gezielt verbessern lassen.
Literatur
Schneider, P., Groß, C., Bernhofs, V., Christiner, M., Benner, J., Turker, S., ... & Seither‐Preisler, A. (2022). Short‐term plasticity of neuro‐auditory processing induced by musical active listening training. Annals of the New York Academy of Sciences, 1517(1), 176-190. https://doi.org/10.1111/nyas.14899
Schneider, P., Engelmann, D., Groß, C., Bernhofs, V., Hofmann, E., Christiner, M., ... & Seither-Preisler, A. (2023). Neuroanatomical disposition, natural development, and training-induced plasticity of the human auditory system from childhood to adulthood: a 12-year study in musicians and nonmusicians. Journal of Neuroscience, 43(37), 6430-6446.